Montag, 16. November 2020

Zweenvürzsch

Kontrollverlust

Heute ist wieder ein wichtiger Tag, wenn man die Corona-Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie in diesem Land als wichtig erachtet. Genau das scheint nicht immer der Fall zu sein, bzw. ist es spannend, zu sehen, wer sie wie und mit welcher Begründung umgeht, umgehen darf und wie darauf reagiert wird. 

Leipzig

Nehmen wir die Demo in Leipzig vor reichlich einer Woche... Da meldet ein Veranstalter eine Demo mit mehreren Tausend (!) Teilnehmern gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung an und verspricht, sich an alle diese Maßnahmen, gegen die er übrigens protestiert, zu halten, obwohl er bereits mehrere Demos dieser Art zu verantworten hatte, bei denen genau dieses Versprechen nicht gehalten wurde. Allein in Sachsen hatte er das kurz vorher, nämlich in Dresden, schon nicht gemacht. 

Reaktion der Polizei? "Wenn mir geahnt hätten... Aber so? ... Kannste nischt machen..." 

Im Übrigen ist das kein Versprechen, wie es Kinder gern geben oder Politiker, also mit einer Halbwertszeit von wenigen Minuten und wenn es gebrochen wird, entschuldigt man sich brav ein wenig, sondern eine Auflage, um diese Demo überhaupt durchführen zu dürfen. Noch dazu in einer Zeit, die von extremen Kontaktbeschränkungen geprägt ist.  

Meinungsfreiheit

Das allein hat schon etwas Groteskes, denn das Recht zu demonstrieren wird dadurch offensichtlich höher bewertet, als der Schutz der Gesundheit der restlichen Bevölkerung. Auch das Recht zur freien Ausübung eines Berufes scheint da nicht ranzureichen. Aber das alles nehmen wir mal so zur Kenntnis, wie die Tatsache, dass man dieses Recht nutzt, um noch mal deutlich auf die Diktatur hinzuweisen, in der man lebt. Fast lustig... fast. Richtig humorvoll wird erst der Umgang der Justiz mit dem Fall. 

Blauäugig

Nachdem die Stadt Leipzig gesagt hat, wir entsprechen diesem Recht, lassen die Demo zu, aber schicken sie dahin, wo sie genug Platz haben und theoretisch niemanden anstecken können, kassiert das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen dieses Argument und macht den naiven Blauäugigen. Die Richter dort sagen in ihrer Begründung nämlich sinngemäß, es waren 16 000 Demonstranten angemeldet, und für die reicht der Platz in der Innenstadt trotz Abstandsregeln. Kann ja keiner ahnen, dass da mehr kommen... 

Regeln

Und außerdem hatte der Veranstalter versprochen, dass die alle mit Maske kommen und sich an die Abstandsregeln halten werden. Pionierehrenwort! 

Warum sollten auf einer Demo gegen die Masken- und Abstandsregeln, welche ohne Maske und Abstand agieren? Überraschung! 

Oder, wie die Polizei gern sagt: "Wenn mir geahnt hätten... Aber so?... Kannste nischt machen!" 

Bei der Argumentation habe ich Angst, dass so ein Richter vom Glauben abfällt, wenn der erfährt, dass der Weihnachtsmann nicht mit dem Schlitten kommt der von Rentieren gezogen wird. Man traut sich ja kaum, denen zu verraten, dass es den Weihnachtsmann nicht wirklich gibt. Immerhin hatte man das denen jahrelang versprochen.

Ich mache es mal ganz simpel:

Es wird offen das Verstoßen gegen Regeln angekündigt, da wurde im Vorfeld mehrfach bewiesen, dass das auch so sein wird und dann kommt so ein Richter und argumentiert damit, dass man das vorher nicht ahnen konnte? 

Glaube und Attest

Der Innenminister Wöller wiederum ist absolut zufrieden mit sich, denn die Demo war im Prinzip friedlich und die paar Zehntausend Verstöße gegen die Demo-Auflagen... na, Schwamm drüber. Kann passieren! 

So ein Staat muss auch mal tolerant sein und außerdem hatten viele von den Leuten ein Attest, dass sie keine Maske im Gesicht vertragen. Da wollen wir doch mal glauben, dass das stimmt, sonst wäre es ja wieder ein Verstoß, z. B. wegen Urkundenfälschung. Ruhig mal an das Gute im Demonstranten glauben. 

Vorschlag

Meine Empfehlung an potentielle Schwarzfahrer in den Öffis lautet: Bleibt friedlich, schreibt euch gegenseitig ein Attest wegen Fahrkartenallergie aus und verweist auf euer Recht, dass mit dem Bezahlen von Fahrten etwas anders zu sehen. Übrigens, wenn ihr viele seid, können die gar nichts machen... 

Was passiert eigentlich, wenn alle Gaststätten zugleich trotz Verbot öffnen? Kommt da auch das Ordnungsamt und kapituliert vor der Masse an Verstössen? 

Wenn nun auch noch die Theater und Kinos zugleich öffnen, ist doch die Staatsmacht völlig überfordert, oder? 

Ich denke, unabhängig von der Richtigkeit oder Falschheit der Demoinhalte, vom friedlichen Verlauf, den es bekanntlich nicht durchgängig gab und vom Recht auf freie Meinungsäußerung... 

In Leipzig ist der Kontrollverlust des Staates passiert! Nicht weniger!

Was lässt sich nun daraus schließen? Erstens, egal, was heute beschlossen wird, daran halten müssen sich scheinbar nur die Dummen. 

Zweitens, macht, was ihr wollt, aber leise und fabriziert keine schlechten Bilder. 

Drittens? So geht sächsisch...wiedermal!

1 Kommentar:

  1. Zum Thema Regeln sei noch gesagt: Das scheint die neue allgemeine Rechtsauffassung zu sein. Immerhin lässt ja ein gewisser Bundesinnenminister Untersuchungen zu strukturellem Rassismus in der Polizei nicht zu, weil die Polizisten gar nicht rassistisch agieren können. Ist ja immerhin verboten. Ich warte auf den Tag, an dem die Polizei abgeschafft wird, denn im StGB steht ja, welche Verhaltensweisen verboten sind, und da wird sich dann schon jeder dran halten. Ich muss ehrlich sagen, langsam begreife ich einige Sachen, die hier in diesem Land einfach so passieren dürfen, nicht mehr. Bleib gesund lieber Mario, bis hoffentlich bald. Alex

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